Warentransport in Bolivien
Bolivien ist dreimal so groß wie Deutschland und enthält durch seine extremen Höhenunterschiede (Anden bis zu 6542 m, Tiefland 400 m) verschiedene Temperatur- und Klimazonen. Dadurch können eine Fülle von Lebensmittel produziert und verschiedenste Nutztiere gehalten werden. Irgendetwas gedeiht irgendwo immer. Deshalb gibt es theoretisch immer genügend zu essen für die gesamte Bevölkerung. Die Herausforderung besteht in dem Transport und der Verteilung.
Offiziell hat Bolivien ein nationales Straßennetz von 45 Routen mit insgesamt etwa 16.000 km. Davon sind nur 28 % asphaltiert, 40 % geschottert und ganze 32 % bestehen nur aus verdichteter Erde. Zusätzlich gibt es noch zwei größere Bahnstrecken, die etwa viermal pro Tag von Güterzügen benutzt werden (Transport von Kraftstoff, Mineralien …). Aber fast alle anderen Waren, wie Lebensmittel, Tiere oder Holz, werden auf Lastwagen über das Straßennetz transportiert.
Die Lastwagenfahrer sind dabei selbständig. Das bedeutet, dass sie ihre Fracht beim Produzenten einkaufen, irgendwo hin transportieren und dort wieder verkaufen. Sie tragen also das gesamte Risiko der Überlandfahrt und Gefahren gibt es viele: Von Schlaglöchern in der Fahrbahn, über Autos, die nachts ohne Licht fahren, weil dieses kaputt ist, die Möglichkeit von Blockaden aus politischen oder gewerkschaftlichen Gründen, vom Regen weggespülte Brücken oder ganze Fahrwege, steckengebliebene andere Lastwagen, Erdrutsche oder Steinschläge, die ebenfalls die Fahrbahn blockieren (in den Anden) oder sehr aktuell stundenlange Schlangen an den Tankstellen und warten auf Diesel (vor drei Monaten mussten sie teils bis zu drei Tage auf den Sprit warten). Baustellen werden nicht abgesichert und wenn man durch Häuseransammlungen fährt gibt es fiese Bodenschwellen und Poller, die die Reifen beschädigen können.
Das Land ist groß, die Straßen häufig einsam. Man fährt oder wartet hier mehrere Stunden, um Hilfe zu bekommen!
Im harmlosesten Fall kommt die Fracht verspätet an, man bekommt nicht den vollen Lohn und ist ein paar Tage mehr von der eigenen Familie getrennt. Aber es kann auch die Fracht verderben, was teils den finanziellen Ruin bedeutet. Deshalb nehmen Fahrer oft hohe Risiken in Kauf, z.B. durch einen reißenden Fluss zu fahren. Dabei kann der eigene oder geliehene Lastwagen kaputt gehen, es passieren Unfälle und im schlimmsten Fall werden Menschen dabei verletzt.
Einige Beispiele: Vor drei Monaten mussten Lastwagenfahrer bei Santa Cruz Ladungen von verdorbenen Bananen aufgrund von politischen Blockaden wegwerfen. Vor zwei Wochen steckten andere Fahrer tagelang wegen einer vom Hochwasser eingerissenen Brücke in Beni fest; sie ließen ihre transportierten Schweine und Kühe notgedrungen am Wegrand weiden und jagten Wildtiere, um sich zu ernähren. Mit Paranüssen ist es da schwieriger – diese müssen möglichst schnell getrocknet werden, damit sie nicht schimmeln. Holz dagegen ist relativ unempfindlich.
Hat ein Fahrer einen Unfall mit Personenschaden, kommt er grundsätzlich erst einmal ins Gefängnis, bis seine Unschuld geklärt ist.
Der Warentransport in Bolivien ist also unvorhersehbar und risikoreich. Das belastet auch den Handel besonders mit Waren aus den entlegenen Gebieten Boliviens, wie dem Amazonasgebiet, und schränkt deren Geschäfts- und Gewinnmöglichkeiten sehr ein. Außerdem ist eine zuverlässige Verteilung und Verfügbarkeit nicht gewährleistet, weshalb man z.B. auf Baumaterialien oder Autoersatzteile manchmal unabsehbar lange warten muss.
Deshalb wundert euch nicht, wenn ihr in Bolivien nicht alles überall und immer bekommt und seid dankbar für das gut ausgebaute, solide und verzweigte Straßennetz in Deutschland!