Zukunft für junge Erwachsene in Bolivien

In Bolivien sind 50 %, also die Hälfte der Bevölkerung, unter 25 Jahre alt! Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Hoch- und dem Tiefland und zwischen Stadt und Land. Insgesamt ist die Familie sehr wichtig. Offiziell bekommt eine Familie etwa 3 Kinder, aber in der Stadt haben viel Paare „nur“ ein Kind, während auf dem Land Familien mit 8 Kindern keine Seltenheit sind. Deshalb müssen Mädchen oft ihre Geschwister miterziehen und versorgen und Jungen arbeiten schon früh in der Landwirtschaft mit, damit die Familie überleben kann. Außerdem wird früh geheiratet, an einem Sonntag haben wir eine solche Hochzeit gesehen: Mädchen sind häufig 15 oder 16 Jahre und Jungs 16 oder 17 Jahre alt. Damit gründen sie eine eigene Familie und die Eltern müssen die beiden nicht mehr ernähren und finanzieren. Oft brechen die Jugendlichen die Schule dann ab und arbeiten als Verkäufer an Essenständen, Putzfrauen oder in anderen Hilfsarbeiter-Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Häufig werden bald Kinder geboren und nur noch einer kann arbeiten gehen. Für die Kinder ist dann wieder nicht genug Geld vorhanden, so dass diese wiederum die Schule abbrechen müssen. Das führt zu einem Kreis der Armut, aus dem man nur schwer entkommen kann. Man schätzt, dass in Bolivien 800.000 bis etwa 3 Millionen Kinder zwischen 5-17 Jahren bereits arbeiten müssen! Kinderarbeit ist in Bolivien eine Säule der nationalen Wirtschaft. Bis 12 Jahren ist man in Bolivien ein Kind, danach gilt man als junger Erwachsener. Fast die Hälfte aller Jugendlichen verlässt deshalb mit 15 Jahren die schulische Ausbildung.

2016 verabschiedete Bolivien ein Gesetz, das Kinderarbeit regeln sollte. Daraufhin gab es einen internationalen Aufschrei: Damit wäre Kinderarbeit öffentlich legalisiert worden, obwohl sich Bolivien bereits 1989 verpflichtet hatte, diese komplett abzuschaffen. Allerdings kam der Gesetzesvorschlag von den organisierten Kindergewerkschaften in Bolivien, die sich dadurch wenigstens ein bisschen Schutz und Rechte erhofften. So forderten die Jugendlichen, dass ab 10 Jahren eine selbständige Arbeit, ab 12 Jahren eine Anstellung erlaubt sein sollte, wenn dies mit Unterschrift der Eltern und unter Aufsicht einer Vertrauensperson geschehe. Außerdem sollten ein fortlaufender Schulbesuch und begrenzte Arbeitszeiten gewährleistet werden und der Einsatz in gefährlichen Arbeitsbereichen, wie Bergminen oder Ziegelfabriken, verboten werden.

Bolivien hat das Gesetz also zurückgezogen – mit dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche aktuell ohne Regeln und Rechte weiterarbeiten. Wer gerne eine Reportage zu dem Thema anschauen möchte, der kann dies unter folgendem Link finden: Kinderrechte: Kinderarbeit – bitterer Alltag in Bolivien – ZDFheute oder bei GEO.de unter dem Stichwort Bolivien: Kinderarbeit im Bergbau – (Geolino) vom 12.06.2024 einen recht aktuellen Artikel lesen.

Mancher in Deutschland mag Schule als lästige Pflicht verstehen, hier in Bolivien wären viele Jugendlichen dankbar, sie könnten einfach eine Ausbildung abschließen. Ein Studium an einer der 11 öffentlichen Universitäten Boliviens bleibt für die meisten ein unerreichbarer unfinanzierbarer Traum – es sei denn, sie haben Familie in einer großen Stadt, bei der sie wohnen dürfen und sie können abends das nötige Geld mit harter Arbeit dazu verdienen! In Cochabamba trafen wir einen jungen Mann, der nebenbei 8 Stunden pro Tag Taxi fährt, um sein Studium zu finanzieren. Manchmal verlassen auch die Eltern ihren Kindern zuliebe die Heimat und ziehen in Städte, nur um diesen eine gute Schulausbildung ermöglichen zu können. Dort halten sie sich dann mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und wohnen in einfachsten Verhältnissen.

Wie unterschiedlich das Erwachsenwerden doch in verschiedenen Ländern ablaufen kann!

 

 

 

 

Von Pykant