„Viele Cochabambinos leben fürs Essen“, das hat uns letzte Woche ein Taxifahrer wortwörtlich berichtet. Und das stimmt mit unseren Beobachtungen überein: In jedem Wohnblock gibt es hier ein offizielles Lebensmittelgeschäftchen (kleiner wie ein Tante-Emma-Laden) und ein Essenslokal, das Speisen immer auch zum Mitnehmen anbietet. Das ist natürlich sehr praktisch für alte Leute, die in drei Minuten zu Fuß alles erreichen können, was sie zum Leben benötigen. Morgens von 7-8 Uhr schließt man Garagentore auf und dort werden frisch gebackene Weckchen aus Körben verkauft. Ab 11.30 Uhr öffnen sich zusätzlich private Wohnzimmer: Hier kann man für umgerechnet 1,50 Euro ein Hausfrauen-Menü aus Suppe und Hauptspeise mit Erfrischungsgetränk genießen. Am Abend hat man die Wahl zwischen Pizza, traditionellen Gerichten oder Hähnchen in allen Variationen mit gebackenen Kartoffelschnitzen.
Der traditionelle Pique Macho ist zum Beispiel ein Teller mit Pommes Frites, gebratenen Rindfleisch- und Wurststücken, Tomaten- und Zwiebelscheiben und einem Spiegelei obenauf. Unter Sopa Mani versteht man einen cremige Erdnusssuppe mit Gemüse und Rindfleischwürfeln – sehr lecker! Zu fast jedem Essen gehört hier Fleisch, das oft von freilebenden Tieren stammt.
Auch die Kartoffel, die von Hand gepflanzt, mit der Hacke gepflegt und von Hand wieder geerntet wird oder die Quinoa Real von den Rändern der Salar Uyuni mit ihren vielen enthaltenen Mineralstoffen entfalten ein besonders intensives natürliches Aroma.
Wer nicht so viel Zeit hat, isst warme Saltenas, mit Fleisch und Gemüse gefüllte Teigtaschen, die eine Straßenverkäuferin an ihrem Stand anbietet oder frischgebackene Cunapes, Brötchen aus Yucamehl mit Käsefüllung. Zu jedem Essen werden noch verschiedene Soßen angeboten, wobei eine scharfe (rot oder grün) nicht fehlen darf.
Komplettiert wird das Essensangebot durch die Nachbarin, die jeden Tag für Interessierte aus der Straße mit kocht oder die Hausfrau, die im Morgengrauen aufsteht, mehrere Gerichte vorkocht und dann von ihrem Mann mit ihren riesigen Kochtöpfen, die in wattierte Decken gewickelt sind, auf den Markt oder in den nächsten Park gefahren wird, wo sie alles bis auf den letzten Löffel verkauft, bevor sie sich wieder abholen lässt.

Unsere eindrücklichsten Erfahrungen mit dem Essen allerorts und zu jeder Zeit waren folgende:
Wenn es in Cochabamba warm ist, stehen an großen Kreuzungen Frauen mit Bauchläden. Während der Rotphase kann man bei ihnen durchs Autofenster Eis, Getränke und aufgeschnittene Melonenscheiben kaufen.
Einmal kehrten wir mit einem öffentlichen Kleintransporter von einem Ausflug in die Stadt zurück. An der Stadtgrenze wurden wir aufgehalten – es war Tag des Fußgängers und die Einfahrt für Autos war erst ab 18 Uhr wieder erlaubt. Aber keine Panik: Am Straßenrand hatten geschäftstüchtige Frauen Essensstände aufgebaut und man konnte von Eintopf über Burger alles Mögliche für den hungrigen Magen bekommen.
Ein anderes Mal besuchten wir eine Schule in den Bergen, um eine Hilfsaktion durchzuführen. Auf dem Hinweg kamen wir an einer Unfallstelle vorbei: Ein großer Lastwagen mit Holz war in einer Kurve umgekippt und lag nun am Straßenrand. Der Fahrer wartete in einem provisorisch gebauten Zelt auf Hilfe. Als wir 5 Stunden später auf dem Rückweg wieder vorbeifuhren, waren Helfer vor Ort, die die Last abgeladen hatten und danach den Lastwagen wieder mit Gerät aufrichten wollten. Daneben stand ein Auto mit aufgeklapptem Kofferraum, aus dessen Innerem eine Frau alle Helfer mit dampfenden Tellern voller Reis, Kartoffeln, Fleisch und Gemüse versorgte. Kein Unfall ohne leckeres Essen.
Auch unser letztes Erlebnis fand auf der Straße im Fernbus statt: Dieser stoppte kurz an einem einsamen Haus am Straßenrand und fuhr dann weiter. Nach wenigen Minuten kam eine Frau mit einem eingewickelten Topf und Tellern nach oben. Auch sie teilte an Käufer eine herzhafte Mahlzeit aus Beilagen und gegrilltem Fleisch aus. Im Anschluss sammelte sie die leeren Teller wieder ein und wurde wieder am Straßenrand abgesetzt. Sie wechselte die Straßenseite, versorgte die Passagiere des entgegenkommenden Fernbusses und stieg an ihrem Wohnhaus aus, um ihren Topf wieder nachzufüllen. In Bolivien kann man sich also auch im Fernbus an einer warmen Mahlzeit laben!

Das viele Essen hat natürlich auch seine Kehrseite: Es entsteht viel Verpackungsmüll.
Auch Kindergartenkinder bekommen auf dem Heimweg oft Chips, ein Eis oder Kekse und süße Trinktütchen.
Durch die vielen Kohlenhydrate und den Zucker erkranken in Bolivien sehr viele Menschen an Diabetes, die oft nicht richtig behandelt wird.

Ein Leben für das Essen?!

Von Pykant